Verpackungslösungen für die Vinyl-Renaissance

Nahezu alle Packaging-Spezialisten haben sich auf die verstärkte Nachfrage nach Vinyl-Verpackungen eingestellt. Bestellt werden Auflagen von bis zu 60.000 Stück. Dennoch bleibt Vinyl ein Nebenmarkt. Erschlossen werden derweil Geschäftsfelder jenseits von Ton- und Bildtonträgern.

Von Simon Colin. Erschienen im Musikmarkt am 1. August 2013.

Eine schwarze Vinylscheibe ziert den Umschlag der Programmvorschau des Hörverlags für den Herbst 2013. Sogar Rillen sind imprägniert und wecken beim Drüberfahren mit dem Finger wohl bei so manchem Händler Erinnerungen: Stimmt, da war mal was. Vinyl. Der Hörverlag wirbt hier für das Hörspiel zu Tolkiens „Der Hobbit“, das im Oktober als limitierte 7-LP-Sonderedition zum Preis von 70 Euro erscheint. Anzeigen werden in Magazinen wie Stern, Musikexpress oder Intro geschaltet.

Vinyl als Vorschau-Highlight

Hätte vor zwanzig Jahren jemand vorhergesagt, dass im Jahr 2013 ein Label einen Vinyltitel als Vorschau-Highlight thematisiert, wäre er wohl milde belächelt worden. Doch gerade in den vergangenen Jahren erlebt die Platte einen Mini-Boom – und die Verpackungsspezialisten müssen sich wieder verstärkt dem analogen, großformatigen Medium widmen. Im Fall von „Der Hobbit“ war es Optimal Media, über den der Hörverlag die LP-Edition produzieren lässt. Auf die Idee zur Vinyl-Edition kam Hörverlag-Marketingchefin Bettina Halstrick, die im Dialog mit Facebook-Fans die Rückmeldung erhielt, dass tatsächlich noch Interesse an einer entsprechenden Plattenausgabe besteht. Und so musste man sich plötzlich wieder mit dem Rillen-Medium beschäftigen: wie viel geht noch mal auf eine Seite? Wie schwer sollte so eine Platte sein und was kostet die Produktion? Noch steht die Auflage der Sonderedition nicht fest. Laut Hörverlag ist das Interesse der Händler an dem Vinyl-Hobbit aber sehr viel höher als vermutet.

Der Hobbit auf Vinyl. Foto: Hörverlag.

Der Hobbit auf Vinyl. Foto: Hörverlag.

Da die Nachfrage nach Vinyl insgesamt beständig zunimmt, haben nahezu alle Verpackungsspezialisten ihre Produktionskapazitäten erweitert. Bei Topac Arvato ist man darauf eingestellt, die Produktionskapazitäten für die Verpackung kurzfristig weiter auszubauen. Auch Nickert sieht sich gerüstet, auch größere Aufträge schnell und zuverlässig zu liefern. MPO plant eine Kapazitätserweiterung in der Vinylproduktion noch in diesem Jahr. „Nach unseren derzeitigen Erfahrungen ist damit zu rechnen, dass der aktuelle Vinylboom auch über die kommenden drei Jahre hinweg noch in ähnlicher Form anhalten wird“, sagt Sandra Fritzsch, Commercial & Administration Director bei MPO. Für Jürgen Gaspar, Vertriebs- und Marketingchef bei Nickert, ist Vinyl „ein sehr interessanter Nischenmarkt. Ich denke, dass Vinyl sich langfristig als ganz eigener Sammler- und Puristenmarkt etablieren wird, jedoch die einzelnen Aufträge sich eher im unteren Stückzahlenbereich bewegen werden.“

Pozzoli-Verkaufsleiter Oliver Fritz sieht Vinyl ebenfalls eher als Nischenmarkt, „die Perspektive wird für mich im Moment zu euphorisch gesehen.“ Zwar wachse die Nachfrage nach Vinylprodukten, doch stiegen die Auflagenhöhen pro Titel nur in Einzelfällen. Susanne Klose, Vertriebs- und Marketingleiterin bei Topac Arvato, spricht hingegen von Erstauflagen von bis zu 60.000 Stück. „Damit wird deutlich, dass mit der Renaissance des Vinyls ein bedeutendes Segment bei den physischen Tonträgern gewachsen ist.“ KDG Mediatech-CEO Michael Hosp bezeichnet Vinyl als „Kult, ein audiophiles Nischen- und Liebhaberprodukt, die überfällige Antwort auf die schnelle und mobile Konsumierbarkeit von Musik-Mainstream-Produkten.“ Als Hersteller begrüße man „selbstredend jede Marktentwicklung, die das bewusste Musikhören wieder in den Mittelpunkt rückt.“

Von Leinenbezug bis schwarzer Karton

Mit dem Vinyl-Hype kommen auch die Vinyl-typischen Verpackungsformate wieder: 7“ und 12“-Platte, Gatefold-Album, Schuber und Discosleeve. CDA bietet unter anderem Klappdeckelschachteln in der Größe einer Platte an, in die man Stecktaschen mit einem großen Booklet einlegen kann. Nickert hat neue „Mediabooks“ für Schallplatten entwickelt, hinzu kommen Klappdeckelverpackungen, Hardcoverdecken und Kartontaschen. „Ein besonderes Merkmal ist unsere Möglichkeit, hier Serialisierungen und fortlaufende Nummerierungen im Heißfolienprägeverfahren anbieten zu können“, sagt Jürgen Gaspar.

Auf Kundenwünsche angepasste Vinylverpackungen sind auch für MPO Thema. „Hier erfahren dann Vinylbox, Vinylschuber oder andere Verpackungsvarianten zumeist besondere Veredelungen wie Leinenbezug, Glanzlackierung, Prägung oder Stanzung“, beschreibt Sandra Fritzsch. Als Beispiel nennt sie das Vinyl-Album „Pip Paine“ von Metronomy. Hierbei handelt es sich um eine Wiederveröffentlichung des Albums aus dem Jahr 2006. „Das Design ist eigenwillig und schlicht und punktet durch die Wahl der Materialkombination“, sagt Sandra Fritzsch. „Die Zeichnungsmotive wurden auf dem mit Leinen überzogenen Außencover in schwarz tiefgeprägt.“

Paul Kalkbrenner-LP. Foto: Topac Arvato.

Paul Kalkbrenner-LP. Foto: Topac Arvato.

Topac Arvato erreichen Susanne Klose zufolge immer häufiger Anfragen für aufwändige Produktentwicklungen, die ausschließlich manuell weiterverarbeitet werden können. „Vorbild sind oft Produkte aus den siebziger Jahren, die 1:1 im Retrostyle nachgebaut werden sollen.“ Ein weites Beispiel: das Paul Kalkbrenner-Album „Guten Tag“. Topac Arvato hat hier die Vinyl- und CD-Verpackung gefertigt. Beide zeichnen sich durch einen durchgefärbten schwarzen Karton und Sonderveredlungen wie Hochprägung aus. Die Vinylverpackung ist eine individuelle Entwicklung von Topac: ein Doppelalbum mit zusätzlicher Klappe und Magnetverschluss.

Erweiterte Realität als Extra-Feature

Auch der CD-Bereich lässt sich vom Vinyl-Look inspirieren. Sabine Wolf, Leiterin Sales Support bei KDG Mediatech: „Der Trend hin zu Vinyl spiegelt sich sogar in der CD-Fertigung wieder“, sagt sie und erwähnt die Vinyl-CD. „Die für Vinyl typische Rillenstruktur wird hier mit einem abschließenden speziellen Lackdruck ´nachgebildet´. Außerdem werden diese Vinyl-CDs dann in ganz ähnliche Verpackungen gesteckt, also in Kartenstecktaschen und auch in Verpackungen mit ausgestanztem Mittelloch.“

Doch auch abseits des Vinyl-Einflusses tut sich im Bereich CD- und DVD-Verpackung etwas. Topac Arvato integriert zum Beispiel die „Augmented Reality“ als digitales Zusatzfeature bei DVDs und Blu Rays. Diese „erweiterte Realität“ kam etwa bei „Cabin in the Woods“ zum Einsatz, erschienen bei Universum Film. Per Smartphone und spezieller App konnte man das Cover abfilmen, woraufhin das darauf zu sehende Haus zum Leben erweckt wurde.

MPO hat das so genannte „Modular Book“ entwickelt. Es eignet sich besonders für voluminöse Sammelausgaben, etwa Serien, da die DVDs, Blu Rays oder auch CDs platzsparend untergebracht werden können. Nickert kann nun danke eines patentierten Klebeverfahrens bis zu 300 Seiten starke Booklets in seinen „Mediabooks“ unterbringen. KDG Mediatech betont die Produktion von Verpackungen komplett ohne Plastik und auch bei Pozzoli gibt es eine solche Variante. Oliver Fritz nennt die „Pozzolibox“, die komplett aus Karton besteht und die identischen Maße einer Jewelbox oder Amaray hat. „Die Box ist eine Alternative zu den diversen Plastikboxen am Markt, die auch maschinell konfektioniert werden kann.“

Mit Blick auf die Zukunft suchen alle Anbieter weitere Absatzkanäle abseits von Ton- und Bildtonträgern. Topac Arvato fertigt für die Branchen Kosmetik, Merchandising oder Spielwaren hochveredelte Faltschachteln sowie Verpackungen für Smartcards und Plastikkarten. Auch Geschenkverpackungen für den Online-Handel entstehen im Hause. Nickert konzentriert sich unter anderem auf Dienstleistungen im Bereich von Konfektionierungen sowie als Anbieter von individuellen Verpackungen für unterschiedlichste Industriezweige.

Auch bei MPO reagiert man auf den Rückgang im Bereich physischer Datenträger und die Verlagerung der Vertriebswege in Richtung Onlinehandel entsprechend. So richtet sich die Logistiksparte „M´Link“ stärker auf E-Logistik-Kompetenzen aus, die das MPO-Leistungsspektrum auch Online-Händlern zugängig macht, wie Sandra Fritzsch sagt. Das Verpackungssegment „M´Pack“ konzentriert sich auch auf Sonderverpackungen in Märkten wie Kosmetik, Luxusartikel und Freizeit.

KDG Mediatech ist neben der Fertigung ebenfalls in der physischen und digitalen Logistik aktiv, zudem legt das Unternehmen einen Fokus auf die E-Commerce-Abwicklung. Der Kosmetiksektor ist ein Geschäftsfeld, in dem sich auch Pozzoli positionieren möchte. Trotz sinkender Auflagenhöhen im Bereich audiovisueller Verpackungen sieht sich das Unternehmen grundsätzlich gut aufgestellt, „denn hochwertige Produktumsetzungen wird es noch sehr lange geben“, ist sich Oliver Fritz sicher.

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